08. Juli 2019

Rio Algar Workcamp in Altea (Spanien)

Seit ihrem ersten Workcamp als Teenagerin enagiert sich Selina für IBG - zunächst als Teilnehmerin, dann als Gruppenleitung und Teamerin bei Seminaren und zur Zeit auch als Schatzmeisterin im geschäftsführenden Vorstand. Auch wenn sie inzwischen einen Vollzeit-Job hat, versucht sie jedes Jahr bei mindestens einem Workcamp dabei zu sein, entweder in Deutschland oder im Ausland. Diesen Sommer hat es Selina nach Spanien verschlagen, wo sie in einem Camp unserer Partner von De Amicitia mit angepackt hat:

"Altea – weiße Häuser, eine blaue Kuppel, ein Strand mit vielen Steinen und wenig Sand. Durch die Straßen schwirren viele Touristen und Menschen in leichter Sommerkleidung. Hier fällt man auf, wenn man zum Workcamp gehört und in der Mittagspause kurz zum Kiosk oder zum Supermarkt laufen will, denn so dreckig und verschwitzt wie das Camp ist in Altea sonst niemand.

Mindestens 2 Mal pro Jahr findet in Altea, am Riu Algar an der spanischen Küste, ein internationales Workcamp statt, welches sich darum kümmert schädliche Pflanzen im und am Wasser in Schach zu halten. Im Wasser gilt es zum Beispiel die Wasserprimel, eine schnell wachsende Pflanze, die den anderen Sauerstoff entzieht, herausziehen und an Land zu trocknen. Im Naturschutzgebiet am Rande des Riu Algar ist der Hauptfeind der Rizinus, auch dieser wächst sehr schnell und kann innerhalb weniger Monate eine Höhe von mehreren Metern erreichen. Nach einigen Jahren werden aus den anfänglich harmlos aussehenden Pflänzchen richtige Bäume, für die man dann schon härteres Geschütz auffahren muss. Die Arbeit, vor allem im Fluss, ist trotz der Anglerhosen aus Neopren eine dreckige und stinkende Angelegenheit. Die Wasserprimel kann zwar leicht im Wasser rausgezogen werden, aber sobald sie aus dem Fluss raus soll wehrt sie sich gerne mit allen Mitteln – macht sich schwer, nimmt so viel Dreck mit aus dem Fluss wie sie kann und hinterlässt ihre wunderschöne Duftnote. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Freiwilligen aus dem Camp in Altea auffallen, wenn sie sich nach der Arbeit verschwitzt und dreckig auf dem Weg zum Sandstrand machen.

Die Arbeit ist anstrengend, vor allem durch die spanische Sonne, aber auch weil die Pflanzen einen gewissen Kraftakt erfordern.

Die Arbeit am vorderen Teil des Flusses ist angenehmer, weil man in den Pausen einfach mal schnell ins Meer springen kann, bei der Arbeit im hinteren Teil (vor allem an Land im Naturschutzgebiet) hat man diesen Vorteil leider nicht mehr. Früher war das Camp einmal direkt neben dem Fluss in der alten Schlachterei, im Matadero von Altea, untergebracht. Aber es ist dort offiziell nicht mehr sicher genug zum Schlafen. (Das Gebäude könnte, so sagte wohl ein schlauer Mann, bei Starkregen überschwemmt werden. Der Bürgermeister von Altea sagte ihm daraufhin, dass das in den letzten 50 Jahren genau 0 Mal vorgekommen sei. Aber das Gebäude wurde trotzdem nicht für Übernachtungen freigegeben.) Deshalb wird der Matadero zur Zeit nur zum Lagern der Werkzeuge und Boote und für die Mittagspausen im Workcamp genutzt. Das ist aber auch ganz gut so, denn da 2 Fenster fehlen und/oder sich nicht schließen lassen, wird die alte Schlachterei auch gerne von Vögeln als Unterschlupf (und als letzte Ruhestätte) in Beschlag genommen. Nein, das Camp hat mittlerweile eine viel schönere Unterkunft in den Bergen von Altea. Obwohl die Finca zwar zu Fuß gute 45 Minuten vom Matadero und dem Fluß entfernt ist, waren sich alle einig, dass es in der Finca viel schöner und besser ist als im Matadero. Und auch wenn der Fußweg zwar an tausenden Orangen- und Zitronenbäumen entlangläuft wo - ganz aus Versehen - auch mal eine Frucht abfällt, war es doch immer eine Freude wenn ein Fahrer für uns zur Verfügung stand, vor allem am Nachmittag nach getaner Arbeit. Für das gesamte Camp hatten wir zwar den famosen bunten Donkey CaraVan von DeAmitica zu Verfügung. Nur leider hatten wir nur einen Fahrer, unseren Campleiter aus Deutschland und der musste in der ersten Campwoche zu seinem ESK-Midterm-Training. Und wie es halt manchmal so läuft, hätte es zwar noch drei weitere Freiwillige mit Führerschein gegeben; der Einzige, der seinen Schein aber mitgebracht hatte ins Camp, kam aus Serbien und hatte so leider keine internationale Fahrerlaubnis. Also sind wir in der ersten Woche viel hin und her gelaufen. Manchmal hatten wir Glück und der Freund unserer anderen Campleitung hatte Zeit und Lust, uns nach der Arbeit wieder nach Hause zu unserer Finca zu fahren.

Die Unterkunft, Finca Santa Barbara, liegt im alten Teil von Altea (Altea la Vella) und besteht aus einem größeren Komplex von Häusern, die zum Zeitpunkt des Camps aber alle leer standen.

Dort gibt es ein Bad, eine spartanische Küche, 3 Räume (2 zum schlafen und ein „Wohnzimmer“) eine wunderbare Terasse für all die schönen Sonnenuntergänge und sogar eine Waschmaschine (!). In der Anlage gibt es außerdem noch einen Container mit weiteren Toiletten und Duschen, sodass fast das ganze Camp gleichzeitig duschen konnte, bzw. könnte, wir haben das tatsächlich nie auf die Probe gestellt. Unsere Gruppe hatte eine angenehme Größe von 8 bis 10 Personen. (Die Zahl schwankte, weil beide Campleitungen leider tageweise gefehlt haben (zum Glück nicht an den gleichen Tagen), aber dafür an einigen anderen Tagen der Freund unserer Campleiterin mit im Camp war und wir ihn irgendwann als Ehrenmitglied aufgenommen haben.) Die Freiwilligen kamen aus Spanien, Deutschland, Mexico, Tschechien, Frankreich, Serbien und Belgien/ Afghanistan. Wir haben schnell zusammen gefunden und hatten von Anfang an viel Spaß miteinander, bis auf ein paar wiederkehrende Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Musikwahl: Pop vs. Arabische Liebeslieder ...und leider gab es 2 Boxen, also lief auch oft einfach solange beides, bis jemand nachgegeben hat. Abgesehen davon gab es im Camp keine größeren Probleme. Da unser Anreisetag ein Donnerstag war, haben wir Freitag direkt mit der Arbeit losgelegt und am Wochenende dann natürlich erstmal Wochenende gemacht – am Samstag ging es nach Calpe und zu Fuß hoch auf den Penon, am Sonntag dann nach Alicante, mit dem Aufzug hoch aufs Schloß und dann zu Fuß runter an den Strand.

Unser Arbeitsalltag in der ersten Woche fing früh an, tatsächlich noch bevor die Sonne hinter den Bergen aufgegangen war. Ab 6:30 Uhr gab es Frühstück, vorbereitet vom jeweiligen Cooking-Team. Um ca. 7:30 sind wir los gelaufen zum Matadero, damit wir um 8:30 mit der Arbeit anfangen konnten.

Wir haben uns für diesen unglaublich frühen Morgen entschieden, weil die Sonne ab 10:00, spätestens 11:00 Uhr, richtig gut geknallt hat. So hatten wir am Morgen ein paar angenehmere Stunden zum Arbeiten und am Nachmittag mehr Zeit für Freizeit. Zum Mittagessen haben wir entweder Sandwiches vom Frühstück, oder die Reste vom letzen Abendessen mitgenommen. Um ca. 14:00 Uhr war die Arbeit beendet. Manchmal auch etwas früher oder später, je nach dem wie ausgiebig unsere Mittagspause ausfiel. Die Nachmittage haben wir meist am Strand von Altea oder in unserer Finca verbracht und nach einer kleinen Siesta waren abends dann meist alle wieder fit für das gemeinsame Abendessen, Gespräche, Spiele und sonstigen Unfug. Am letzten Arbeitstag haben wir herausgefunden, dass in den Camps in Altea für gewöhnlich nur 3-4 Stunden gearbeitet wird, weil die körperlich anstrengende Arbeit in der Sonne eben doch sehr schlaucht. Aber nun ja, wir haben uns nicht groß dran gestört, dass wir „zu viel“ gearbeitet haben und waren im Gegenteil ziemlich stolz auf unsere Leistung, denn am Ende haben wir weder weitere Wasserprimeln, noch Rizinus finden können. Wir haben tatsächlich so effizient gearbeitet (ich sag nur: doppeltes Zugsystem für die Schlauchboote), dass die Vertreter der Stadt sprachlos waren, als sie vor dem Haufen Wasserprimeln standen, die wir an Land zum trocken ausgebreitet hatten.

Den letzten Arbeitstag haben wir auch schon gar nicht mehr am Fluss verbracht, da wir schon am Vortag keine weiteren Pflanzen mehr in den begehbaren Bereichen gefunden haben, sondern haben in Calpe kleinere Aufgaben für DeAmitica verrichtet. Zum Beispiel Unkraut jäten hinter dem Community Center und Putzen und Vorbereiten der Bienenstöcke. (Ja, DeAmitica hat eigene Bienenstöcke und macht sogar eigenen Honig. Wir durften einen Nachmittag lang auch selber Imker_innen spielen).

Am zweiten und letzen Wochenende dann gab es ein besonderes Event in unserer Finca - das jährliche Lindy-Hop Festival! Wenn auch absolut nicht klar war, was unsere Aufgabe beim Festival war und die Tanzstunde für uns leider ausgefallen ist, war es auf jeden Fall ein schönes Fest mit viel guter Musik. Wir haben dennoch als Gruppe beschlossen, nicht das ganze Wochenende am Festival teilzunehmen, weil wir uns zwar nett aufgenommen aber dennoch ziemlich verloren gefühlt haben zwischen all den (semi)professionellen Tänzer_innen und haben die Tage genutzt endlich die Altstadt von Altea zu besuchen und noch ein bisschen „serious beach time“ runterzureißen. Ein letztes Freizeit-Highlight waren am Mittwoch (nach getaner Arbeit) noch die Wasserfälle Fuentes Algar, ca. 20 min. entfernt von Altea la Vella.

Das Camp war, zugegeben, in vielen Fällen nicht optimal organisiert, allerdings aus verständlichen Gründen. Unsere Campleitungen waren beide noch recht unerfahren, eine von ihnen arbeitete im Büro von DeAmitica, aber erst seit einigen Monaten.

Das heißt, dass sie zwar die Ansprechperson der Organisation für das Camp war, selber aber nur wenige Infos über die Arbeit hatte. Die verantwortliche Frau bei der Stadt war ebenfalls neu, hatte die Workcamps von ihrem Vorgänger „übernommen“, wurde aber leider auch nicht informiert, wie die Arbeit am besten zu erledigen sei. Das hat natürlich zu einigen Verwirrungen und Verzögerungen geführt, aber am Ende hat alles gut hingehauen. Auch nicht optimal war natürlich, dass der eine Campleiter mitten im Camp für ein paar Tage zu seinem ESK-Midterm-Training musste und wir deswegen keinen Fahrer für das Auto hatten. Aber ganz ehrlich Kinder - im Chaos liegt die Chance, als Gruppe zu wachsen und zu glänzen. Aus Chaos entsteht Improvisation und in meinen vielen vielen Workcamps habe ich oft erfahren, dass am Ende im Chaos die Perfektion verborgen liegt. Ich bin sehr zufrieden mit dem Camp, denn auch hier hat sich eine alte Workcamp-Weisheit bewarheitet: es ist egal wo man ist oder wie lange man zur Arbeit laufen muss oder ob man mit Spitzhacken Bäume fällen muss, weil man ein kleines Defizit an Sägen hat… wenn die Gruppe stimmt, dann ist der Rest wirklich zweitrangig. Und in diesem Camp, da hat die Gruppe richtig gut gestimmt!"

Selina (28, Schatzmeisterin für IBG)

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