Clara hat von August 2021 bis Juli 2022 als Freiwillige über das Europäische Solidaritätskorps (ESK) in Frankreich gearbeitet. Was sie in Cancale in der Bretagne gemacht hat und wie der Freiwilligendienst ihre Zukunftsplanung viel weiter beeinflusst hat, als ursprünglich gedacht, schreibt sie hier für euch:
"Cancale, die „Austernhauptstadt“ der Bretagne…
Ich, die keine Meeresfrüchte mag, konnte es natürlich kaum erwarten, dieses Dorf am Westende der Bucht des Mont St Michels kennenzulernen. Was ich dann tatsächlich vorgefunden habe, übertraf all meine Erwartungen:
Meine Einsatzstelle liegt auf einer Halbinsel über dem Wasser, zu Fuß ist man in zehn Minuten am Strand. Für die nächsten zehn Monate würde ich nun also ganz wörtlich dort wohnen, wo andere Leute Urlaub machen. Das bestätigt auch ein Blick aus meinem Zimmerfenster:
Blick aus dem Fenster
Das Centre Virginie Hériot empfängt unter der Woche Schulklassen, die auf Klassenfahrt fahren, um mehr über das Meer, die Küste und den Umweltschutz zu lernen.
Glücklicherweise hatte ich einige Tage Zeit, um mich einzuleben, denn sobald die erste Klasse aus dem Bus stieg, ging es gleich richtig los: Vom Frühstück bis zum Schlafengehen wurde ich vom Strom des Programms mitgerissen. Und was für ein Programm: Motorbootfahrten rund um die benachbarten Inseln, Ausflüge in die benachbarte, mittelalterliche Stadt St Malo und zum Mont Saint Michel, Müllsammeln am Strand, Watt- und Küstenwanderungen, Segelunterricht auf Optimisten und die Suche nach den Überlebenstechniken der Tiere im Watt bei Ebbe; hier wird wirklich alles geboten.
Zu Beginn war ich von diesem überreichen Stundenplan ziemlich überfordert, aber zum Glück standen mir das Pädagogenteam und meine Chefin stets hilfreich zur Seite, so dass ich mich schnell eingelebt habe.
Deutlich erleichtert wurde meine Integration auch von der Ankunft eines französischen Zivildienstleisters Mitte September. Léo und ich sind in vielen Dingen sehr unterschiedlich, aber unser Zusammenleben hat sich doch von Anfang an recht einfach gestaltet, und es war sehr angenehm, an diesem, doch sehr abgelegenen Ort eine andere junge Person in der Nähe zu haben. Dass Léo aus Paris kommt und mich während der Ferien kommentarlos in der leeren Wohnung seiner Großtante unterbrachte war natürlich auch ein willkommener Bonus.
Besonders genossen habe ich mein ESK-Anfangsseminar in der Nähe von Nîmes, wo ich viele andere europäische Freiwillige kennengelernt habe, die alle völlig andere Erfahrungen und Geschichten hatten.
Ende September konnten wir in Sommières noch vollkommen von der Sonne Südfrankreichs profitieren, ob bei der Fotorallye im Dorf oder während der Aktivitäten, die uns den Einstieg in unsere Freiwilligenzeit erleichtern sollten. Besonders die vielen Informationen zu den Ressourcen, die einem während des europäischen Freiwilligendienstes zur Verfügung stehen, waren sehr hilfreich und haben mir in diesen Monaten viel Zeit, Nerven und Geld gespart. Aber der größte Effekt des Seminars sind definitiv die neuen Freundschaften, die helfen, sich so kurz nach der Ankunft in einem fremden Land verstanden und aufgefangen zu fühlen.
Fotochallenge, die Anweisung war „Europäische Freiwillige bei der Ankunft in einer neuen Stadt“
Ein Highlight meiner Zeit in Cancale war definitiv das internationale Workcamp Anfang März.
Für zwei Wochen empfingen wir 14 Freiwillige aus ganz Europa sowie Brasilien und Bangladesh, mit denen wir die Gegend erkundeten, Palettenmöbel und Vogelhäuser bauten und einen Umkleideraum renovierten und dekorierten. Dabei wurden nicht nur bleibende Freundschaften geknüpft, sondern auch traditionelle, spanische Tänze gelernt, nicht weniger traditionelle Pizzarezepte von italienischen Großmüttern ausprobiert und vor allem viel, viel gelacht.
Aber letztendlich war es der Alltagsbetrieb mit den Kindern, der mich am meisten geprägt hat.
Jede Woche vierzig bis achtzig Grundschulkinder in Empfang zu nehmen ist eine Herausforderung, der ich an wenigen anderen Orten hätte begegnen können, und aus der ich viel gelernt habe: Spontanität, präzise Kommunikation, Anpassungsfähigkeit, und auch einfach die Tatsache, dass sehr viele einzelne Dinge schiefgehen können, und am Ende trotzdem irgendwie alles in Ordnung kommt.
Als im Mai dann langsam das Ende meines Freiwilligendienstes in Sicht kam, wurde es für mich immer deutlicher, dass ich eigentlich noch gar nicht wieder gehen wollte.
Es gab in dieser traumhaften Umgebung noch so viele Möglichkeiten für coole und nützliche Projekte, sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Deshalb habe ich mich entschieden, an meinen ESK-Einsatz einen Service Civique anzuhängen und so ein zweites Schuljahr hier im Zentrum zu verbringen. Falls es euch also demnächst in die Bretagne verschlägt – kommt gerne vorbei!"
Europäisches Solidaritätskorps
Über das Europäische Solidaritätskorps (ESK) kannst du dich für Freiwilligenteams oder auch für längere Freiwilligeneinsätze im europäischen Ausland bewerben. Es gibt dabei eine strikte Altersgrenze von 18 bis 30 Jahren und es sind zusätzlich zur Anmeldung bei uns oder einer anderen Organisation noch einige wichtige Schritte vor und nach dem Projekt zu erledigen. Mehr Infos zum ESK findest du hier.