19. Oktober 2022

Nach Südfrankreich mit Solidarités Jeunesses (Frankreich)

Tillmann hat die Zeit nach dem Abitur diesen Sommer genutzt, um zwei Monate in Frankreich zu verbringen. Als Freiwilliger über das Europäische Solidaritätskorps unterstützte er dort das Team unserer Kolleg:innen von Solidarités Jeunesses vor allem als Leiter von Workcamps und Jugendaustauschen. Hier beschreibt Tillmann für euch, wie die unterschiedlichen Projekte gelaufen sind, welche Herausforderungen die Rolle als Gruppenleitung mit sich bringt und was einen Freiwilligendienst von einem Urlaub in Frankreich unterscheidet:

"Mein Freiwilligendienst

Mit dem Abi in der Tasche und sonst keinem Plan, habe ich mich auf den Weg nach Südfrankreich gemacht, um dort für zwei Monate einen Freiwilligendienst über das europäische Solidaritätskorps zu machen. In dieser Zeit habe ich mit der französischen Organisation Solidarités Jeunesses zwei Workcamps und zwei Jugendaustausche geleitet. Die Ziele waren immer verschiedene Nationalitäten zusammen zu bringen, von einander zu lernen und eine Gruppe zu schaffen, die alle Teilnehmer begeistert, sowie ein konkretes Thema aus den Bereichen Umweltschutz oder gesellschaftlicher Wandel intensiv zu bearbeiten und zu vermitteln.

Die Leitung der Gruppen habe ich mit einer/m Kollegin/en übernommen in den Projekten:

Renovations la Colonie

Die beiden Ziele dieses Workcamps waren die Bekämpfung einer invasiven Pflanzenart in der Cevennen, sowie Renovationsarbeiten an einer ehemaligen Jugendherberge. Zwischen recht intensiver Arbeit und auch recht warmen Temperaturen in den französischen Bergen, konnten wir eine großartige Zeit in der französischen Natur verbringen. Gipfelbesteigung und Nachtwanderung inklusive.

Jungen Menschen spielen Wasserball in einem Fluss

Change 4 Clothes

Thema dieses Jungendaustausches waren Kleidung und Mode aus einer nachhaltigen Perspektive. Die Teilnehmer konnten von professioneller Hand lernen, wie Kleidung selbst genäht und gefertigt werden kann. Traditionelle Techniken standen dabei im Vordergrund. Sehr spannend fand ich dabei auch, den eher theoretischen Teil, in dem die Gruppe sich mit den Themen Nachhaltigkeit und Wandel in der modernen Modeindustrie auseinandergesetzt hat. Von Recherche und Diskussionen bis Filme haben wir uns intensiv mit einem zentralen Problem unserer Zeit beschäftigt und nationale Lösungen ausgetauscht. Dabei konnte viel Bewusstsein geschaffen und so manches auch ausgetauscht werden. Wahrscheinlich durch das trockene Thema getrieben, flüchteten wir in unserer Freizeit zu atemberaubenden Wasserfällen, wunderschönen Dörfern und natürlich auch in nächtliche Partys.

Eine Gruppe junger Menschen wandert über ein Feld

Transformativ Cinema

Wer sich fürs Kino interessiert ist bei diesem Jugendaustausch genau richtig gewesen. Vom Drehbuch bis zum editing haben wir als Gruppe einen Kurzfilm auf die Beine gestellt. Begleitet von der theoretischen Auseinandersetzung „Wie verändern Filme unsere Wahrnehmung der Welt“ haben wir rund zwei Wochen intensiv gearbeitet und einen Film zum Thema „Gerechtigkeit“ gedreht. Ansonsten sind auch die Abenteuer nicht zu kurz gekommen. Vom Kanu bis zum Konzert war alles dabei, besonders der Austausch internationale Tänze hat unsere Füße leiden lassen.

Les Griffes de Sorcieres

Zum Ende meines Freiwilligendienstes bin ich für ein Projekt in den südlichsten Süden Frankreichs gereist. Ein Workcamp mit dem Ziel, eine kleine Stadt von einer invasiven Pflanzenart zu befreien, direkt an am Mittelmeer. Auch wenn einem die Strände voll fieser Pflanzen sicherlich die Nerven zerrieben, war es doch ein kleiner Trost, dass die See immer nur ein paar Meter neben einem wartete. Ich denke es gab kaum einen Tag, an wir nicht schwimmen waren. Und wenn wir mal nicht im Meer waren, sind wir nach Spanien gefahren oder haben die Pyrenäen erklommen. Und auch das Nachtleben ist nicht zu kurz gekommen. Aus einem defekten Scheinwerfer und einer Minidiskokugel plus etwas französischem Techno lässt sich vieles machen.

Junge Menschen wandern an einem felsigen Hang

Gruppenleitung

Die Leitung einer Gruppe aus 15 bis 20 internationalen Teilnehmer kann durchaus eine Herausforderung sein, auch wenn man schon Erfahrung hat. Eine Herausforderung die es aber definitiv wert ist. Von der Logie bis zum Organisieren einer anständigen Gemeinschaftsküche gibt es eine Menge zu tun, sowie einen Haufen junger Menschen der eine ganz eigene Vorstellung davon hat, wie genau so ein Zusammenleben zu laufen hat. Eine Sache ist jedoch sicher, fast alle Teilnehmer sind sehr daran interessiert, dass es irgendwie hinhaut und bringen eine erstaunliche Menge Engagement mit.

Aber klar, Details können zu Diskussionen führen, die man als Leiter lösen muss, möglichst ohne dabei einen Krieg anzuzetteln. Ein gutes Beispiel dafür wäre z.B. die Bedingung dass aus Umweltgründen nur drei Mahlzeiten in der Woche Fleisch enthalten (+ vegetarische Alternative natürlich). Einem Vegetarier ist das schnell erklärt, manch fleischbegeisterter Teilnehmer bangt dann jedoch um seine Gesundheit (psychische sowie physische) und bedarf einiger Diskussionen. An die Gurgel gegangen ist mir jedoch in der ganzen Zeit niemand, und nach einem etwas schlecht gelaunten Abend ging es am nächsten Tag umso besser weiter.

Wer Erfahrung sammeln will, dem kann ich die Leitung einer Gruppe nur sehr empfehlen. Um das Technische musste ich mich zum Glück nicht kümmern, dafür hatte ich Unterstützung. Und auch die Gruppenleitung habe ich nicht alleine gemacht, sondern mit noch einer Person. Manchmal war ich abends echt fertig und manchmal stand ich auch vor Entscheidungen oder Notwendigkeiten die mich wirklich herausgefordert haben, aber ich habe wirklich viel gelernt. Über Gruppen, Menschen in meinem Alter und auch über mich selber.

Südfrankreich

Umwerfend war sicher durchgehend die Umgebung. Ob die Berge der Cevennen, oder die Küste an der spanischen Grenze. Und was man im Urlaub dort nicht findet, das findet man im Freiwilligendienst ganz sicher; ein Bild von den Menschen und der Kultur Südfrankreichs. Der eher gleichgültige Blick von Anwohner hellt sich sichtlich auf, sobald sie erfahren, dass man seinen Freiwilligendienst in ihrem Ort absolviert. Neben einer Menge Fragen, bekommt man sehr schnell mit, wo man gut einkaufen kann, wo die schönsten Ecken in der Umgebung sind und natürlich auch wo was stattfindet.

Also, wer eine Gegend wirklich kennenlernen will, dem kann ich nur den Freiwilligendienst empfehlen.

Blick durch Bäume auf hohe Berge

Europäische Jugend

Europa ist natürlich viel in den Nachrichten und den Mündern unserer Politiker. Was das eigentlich bedeutet, lernt man, denke ich, beim Freiwilligendienst ganz gut. Wenn gut 20 junge Menschen auf engem Raum zusammenleben und arbeiten, zeichnen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehr schnell ab. Vom Essen bis zur Tanzkultur gibt es eine Menge auszutauschen. Kulturschock war für mich, dass deutsche Pünktlichkeit definitiv kein Klischee ist. Dabei kommt natürlich auch mal Klärungsbedarf auf, damit nichts falsch verstanden wird.

Das Bild, das bleibt, ist jedoch bei mir, wie viele Gemeinsamkeiten wir doch über Grenzen hinweg teilen und auch, wie viele Menschen aus ganz Europa ich jetzt kenne und schätze."

Europäisches Solidaritätskorps

Wenn euch Tillmanns Bericht inspiriert, selbst einmal ein paar Monate im Ausland zu verbringen, schaut euch doch einmal weitere Projekte unserer Partnerorganisationen an: Über das Europäische Solidaritätskorps (ESK) kannst du dich für Freiwilligenteams oder auch für längere Freiwilligeneinsätze im europäischen Ausland bewerben. Es gibt dabei eine strikte Altersgrenze von 18 bis 30 Jahren und es sind zusätzlich zur Anmeldung bei uns oder einer anderen Organisation noch einige wichtige Schritte vor und nach dem Projekt zu erledigen. Mehr Infos zum ESK findest du hier.