06. Juli 2020

Was bedeuten Antirassismus und Black Lives Matter für uns als Workcamper*innen?

ein Kommentar von unserer Freiwilligen und Teamer*in Katharina Bergmann

I can’t breathe. Ein Satz, der in den letzten Wochen auf der ganzen Welt durch die Straßen gerufen wurde. I can’t breathe.

Schnell wurde klar, dass es bei den Protesten nicht nur um George Floyds Tod und um Polizeigewalt in den USA geht. Vielmehr entfachte dieser viel gerufene Satz eine weltweite Rassismus-Debatte. Obwohl Gewalt gegen schwarzen Menschen nichts Neues ist, erreichen die Ausmaße der Proteste eine neue Ebene. Aber warum ist das so?

Gerade in den ersten Wochen nach den Ausgangsbeschränkungen haben wir häufig Sätze gehört wie: Corona trifft alle Menschen, egal ob arm oder reich. Ja, das Virus sucht sich tatsächlich keine bestimmte Herkunft, Hautfarbe oder Einkommensklasse. Trotzdem, die Krise betrifft bestimmt nicht alle Menschen gleich. In fast allen Ländern sieht man, dass Minderheiten einen schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Wie kann das sein im Jahr 2020? Und warum spielt Herkunft und Hautfarbe noch immer eine so große Rolle in unserer Gesellschaft?

Die Rassismusdebatte, die wir jetzt haben, ist sehr kompliziert und vielschichtig. Viele MigrantInnen nutzen die momentane Aufmerksamkeit, um unterschiedliche Themen zu platzieren. Nicht immer passt das für die breite Bevölkerung zusammen.

Katharina BergmannAuch ich störe mich an dem Slogan Black Lives Matter. Echt jetzt? Nach den vielen Jahren Antirassismusarbeit und tiefergehenden Critical Whiteness Analysen muss ich jetzt auf die Straße gehen und sagen, dass schwarze Menschen auch leben wollen?

Ja, genau darum geht es. Rassismus und Ungleichbehandlung ist so tiefsitzend, dass wir nochmal ganz vorne anfangen müssen. Die ganze Kolonialgeschichte in diesem Kommentar nochmal aufzuarbeiten wäre ein bisschen ausufernd. Aber ich nenne euch ein paar Beispiele und ihr überlegt euch, welches Bild ihr vor Augen habt.

  • Ein Arbeitgeber, der über eine Million Personen in seinem Unternehmen beschäftigt.

  • Eine Mutter, die auf dem Feld arbeitet und dabei ein Baby auf dem Arm hat.

  • Ein junger Mann, der vor seinem Laptop sitzt und arbeitet.

  • Ein Wissenschaftler, der eine Gruppe von Kindern in einem afrikanischen Dorf besucht.

So. An was habt ihr gedacht? Wann waren die Personen weiß? Wann kamen sie aus westlichen Ländern und wann aus ehemaligen Kolonien? Der größte Arbeitgeber der Welt ist die indische Bahn. Ich bin mir sicher eine deutsche Besitzerin eines Erdbeerfeldes hat schon mal ihr Kind mit aufs Erdbeerfeld gebracht und wahrscheinlich gibt es keinen Teil der Erde, an dem es keine Laptops gibt. Und der Wissenschaftler, war er weiß? Eigentlich wäre es naheliegend, dass einfach ein ehemaliger Bewohner des Dorfes, der Wissenschaftler ist, sein Dorf besucht.

Das Beispiel ist euch zu banal und ihr meint, das als Rassismus zu bezeichnen ist falsch, jede und jeder darf ja seine eigene Vorstellung haben?

Aber genau darum geht es. Ich möchte keine Denkweisen als falsch abtun, aber häufig denken wir bei Wohlstand, Arbeit und Bildung nur an westliche Länder. Dies führt dazu, dass wir, wenn wir reisen, manchmal auf der Suche nach einem vermeintlich 'traditionellen' Bild sind, das eigentlich gar nicht mehr existiert.

Warum diese langen Erklärungen für WorkcampteilnehmerInnen, die offen und voller Neugierde in unterschiedliche Länder fahren und den interkulturellen Austausch suchen?

Ich möchte euch nicht verunsichern, ich möchte euch ermutigen in die Welt hinauszufahren und neue Erfahrungen zu sammeln! Andere Länder kennen zu lernen und Menschen und Kulturen kennen zu lernen, ist immer eine Bereicherung.

Menschen in westlichen Ländern, die das Privileg haben viel zu reisen, prägen das Bild, dass wir von einem Land haben. Was erzählt ihr anderen, was postet ihr in den sozialen Medien? Hattet ihr davor ein bestimmtes Bild von einem Land und wollt dieses unbedingt bestätigen? Ist eine einfachere Lebensweise wirklich automatisch eine schlechtere? Ist der Maßstab aller Dinge das, was wir selbst erlernt haben?

Beenden wir durch all diese Fragen automatisch Rassismus? Nein, aber es ist ein Anfang.

Menschen gehen momentan auf die Straße, weil sie sich nicht gesehen und gehört fühlen. Seid da, hört zu und auch wenn es banal klingt: Black Lives Matter!

Katharina Bergmann

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